Wo Sissi einst übernachtete
Ein großartiges Hotel mit langer Tradition, unvergleichlicher Geschichte und einer Lage von der jeder Hotelinhaber träumt. Nur dreißig Minuten vom Hotel Neumayer entfernt begrüßt das Hotel Kaiserin Elisabeth in Feldafing am Starnberger See seine Gäste.
Erika Borchard durchblättert einen Ordner, in dem sie während ihrer jahrzehntelangen Tätigkeit als Chefin des Feldafinger Hotels Kaiserin Elisabeth alles gesammelt hat, was über den geschichtsträchtigen Traditionsbetrieb veröffentlicht wurde. Sie zeigt auf einen Artikel in der chinesischen Ausgabe der Zeitschrift Vogue und teilt Anekdoten über das Hotel mit, das schon zu Sisis Zeiten internationale Gäste und Persönlichkeiten aus Europa anzog. Ein Brief des Dirigenten Herbert von Karajan liegt ebenfalls im Ordner. Er hatte ein Zimmer reservieren wollen, aber sie musste leider absagen, da das Hotel ausgebucht war, sagt Borchard, die zusammen mit ihrer Nichte Annette von Gleichenstein Inhaberin des Hotels ist.
Bildquelle: Wikimedia | Burkhard Mücke / Hotel Kaiserin Elisabeth Feldafing, drei Tage vor Schließung am 31.12.2022
Das Who is who bedeutender Persönlichkeiten
Die Einträge im Gästebuch lesen sich wie das Who's who der bedeutendsten Persönlichkeiten der Welt. Der letzte Schah von Persien, Mohammed Reza Pahlavi, war hier, ebenso der Dalai Lama und zahlreiche bekannte Künstler, Schauspieler und Schriftsteller wie Thomas Mann, Enrico Caruso, Luchino Visconti, Hans Albers, Romy Schneider, Klaus Kinski oder Nina Hoss, um nur einige zu nennen.
Borchard erzählt mit einem Schmunzeln, dass der Schlagerstar Peter Alexander so viele Koffer mitgebracht habe, dass der 30 Meter lange Hotelgang zugestellt gewesen sei. Die Habsburger feierten hier ihre Familienfeierlichkeiten, ebenso der Humorist Vicco von Bülow. Die Regisseurin Leni Riefenstahl feierte hier ihren 100. Geburtstag. Im Jahr 1998 waren der schwedische König Carl Gustaf und seine Frau Silvia Gäste des Hotels anlässlich der Hochzeit seiner Nichte.
Internationale Bekannheit durch Kaiserin Elisabeth
In den vielen Jahren als Hotelchefin hat die Betreuung der Stammgäste Borchard immer besonders viel Freude bereitet. "Egal, wohin sie gezogen sind, sie kamen immer wieder und haben Hochzeiten, Taufen und Silberhochzeiten gefeiert", erinnert sich die Hotelchefin. Derzeit ruht jedoch der Hotelbetrieb, da eine umfassende Sanierung und Erweiterung geplant ist. Bis zum Baubeginn ist das Hotel an die Firma Siemens vermietet, die hier Schulungen und Tagungen durchführt.
Das ehemalige Gasthaus, 1856 vom Münchner Industriellen und Feldafinger Großgrundbesitzer Joseph Anton Ritter von Maffei ausgebaut, hat schon immer den Ort Feldafing geprägt. Der spätere Inhaber Max Strauch machte es zu einem erstklassigen Hotel und stattete es mit einer großen Gartenterrasse aus, die heute noch besteht. Der Betrieb wurde international bekannt, als die österreichische Kaiserin Elisabeth hier regelmäßig abstieg, wenn sie ihre Eltern im Schloss Possenhofen besuchte oder sich mit ihrem Cousin, dem bayerischen König Ludwig II., traf.
Ein Fitnessraum im Turmzimmer für Sissi
Elisabeth reiste bis zum Jahr 1894 jedes Jahr im Sommer in einem Sonderzug an - mit einer Entourage von 50 Personen sowie 18 Zug- und Reitpferden. Hotelinhaber Strauch ließ 1870 eigene Ställe für die Kaiserin errichten sowie einen Fitnessraum im Turmzimmer. Auch eine Brandschutztreppe wurde gebaut, da Elisabeth Angst vor Feuer hatte. Wenn die Kaiserin einen Besucher nicht treffen wollte, ging sie über die Treppe zu ihrem Pferd und ritt davon, erzählt Borchard. Im Bereich des heutigen Feldafinger Strandbads wurde das "Stauch'sche Damen Bad" errichtet, das stets gesperrt wurde, damit die Kaiserin allein baden konnte. Schon damals waren "höchste und berühmte Persönlichkeiten aus ganz Europa" zu Gast, wie es in der Hotelchronik heißt. Obwohl Borchards Vorfahren das Hotel erst 1905 übernahmen, hat sich die Chefin ein umfangreiches Expertenwissen über Sisi angeeignet.
1900 Umbennung in "Hotel Kaiserin Elisabeth"
Borchard besitzt mehr als 60 Bücher über die Kaiserin und ist zum Umzug aus Anlass der Feierlichkeiten zur 100-jährigen Stadterhebung von Starnberg wie die Kaiserin auf dem Damensattel geritten. "Es ist automatisch, dass man sich für Elisabeth interessiert", sagt Borchard und zeigt auf ein Bild in ihrem Wohnzimmer, auf dem die Kaiserin vor dem Hotel im Damensattel auf einem Pferd sitzt. "Man ist da hineingeboren worden, und das lebt man." Das Hotel verfügt noch über Originalmöbel aus Sisis Zeit. Zudem hat Borchards Neffe Tino von Gleichenstein als damaliger Chefkoch des Hotels ein Kochbuch herausgegeben mit den Menüs, die während Sisis Aufenthalten serviert wurden.
Im Jahr 1900 wurde das Hotel mit Erlaubnis des K.-und-K.-Hofmarschallamts in Wien in "Hotel Kaiserin Elisabeth" umbenannt. 1905 übernahm dann Borchards Großvater Georg Kraft die berühmte, exklusive Herberge, die seither im Familienbesitz ist. Da die Gäste schon immer von der eindrucksvollen Lage begeistert waren, baute Kraft es zu einer Tagungsstätte für Industrie, Wirtschaft, Wissenschaft und zu einer Begegnungsstätte für Familien um, die hier ihre Feste feiern und sich am nahen Golfplatz erholen wollten. Im Zweiten Weltkrieg wurde das Hotel zwar beschlagnahmt, zu einem Lazarett umgestaltet und war danach für einige Jahre ein Hospital. Doch der internationale gute Ruf überdauerte auch diese Zeit. 1952 wurde es im alten Umfang wiedereröffnet und hat nichts von seiner Beliebtheit eingebüßt.
Ursprünglich sollte Borchards Schwester das Luxushotel übernehmen. Sie selbst hatte es nie haben wollen, räumt die studierte Garten- und Landschaftsarchitektin ein. Als ihre Schwester jedoch in das Weingut von Gleichenstein am Kaiserstuhl einheiratete (es liefert bis heute die Weine ans Hotel), musste Borchard notgedrungen die Hotelführung übernehmen. "Engagement und Verantwortung - das war meine Richtschnur", meint sie rückblickend. Die Kinder ihrer Schwester wuchsen jedoch in den Hotelbetrieb hinein. Sie waren regelmäßig bei ihr.
"Ich habe sie mit aufgezogen", betont Borchard. Daher ist es nicht verwunderlich, dass sie sich mit ihrer Nichte Annette von Gleichenstein hervorragend versteht. Auch durch gemeinsame Interessen ist sie mit der Mitinhaberin verbunden. Beide betreiben die Traditionsfahrt als Hobby, ihre Nichte züchtet Pferde. Borchard hat das Hotel bis zu ihrem 80. Lebensjahr geleitet. Der Ausstieg sei ihr durch Corona leichtgefallen, sagt sie. Zumal das Traditionshotel auch in Zukunft in den Händen der Familie bleiben wird. Nach dem Umbau, den Borchard noch zusammen mit der Tierärztin Annette von Gleichenstein federführend organisiert, wird ihre Großnichte Julia Haarmann die Nachfolge übernehmen. Die 23-Jährige studiert derzeit Betriebswirtschaft und ist eine erfolgreiche Springreiterin. "Jetzt ist die übernächste Generation dran", freut sich Borchard.
Quelle: Süddeutsche Zeitung
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